Deutsche Sprachgeschichte
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I. Von den wichtigsten Wandlungen im phonologischen System der deutschen
Sprache in der historischen oder literarischen Zeit ( vom VIII -XX Jh.) sind folgende zu nennen : die II. oder ahd. Lautverschiebung, der Umlaut, die Abschwдchung der unbetonten Vokale, die Diphtongierung, die
Monophthongierung und die Dehnung und die Kьrzung der Vokale.
Die II. oder althochdeutsche Lautverschiebung betrifft zwei Gruppen von
Konsonanten : die germanischen p,t,k und die germanischen b,d,g
Die Umwandlung im Konsonantensystem der hochdeutschen
Territorialdialekten begann im V/VI Jh.u.Z. im Bairischen und Alemanischen
und erfaЯte in der Folgezeit, zwischen 800 und 1200, auch das Frдnkische.
In ihrer Ausbreitung nordwдrts verlor sie allmдhlich an Intensitдt und
machte schlieЯlich vor der Grenze des Niederdeutschen halt. Durch ihre
Abstufungen schuf sie sehr bedeutende lautliche Unterschiede zwischen den
einzelnen ahd Dialekten, die auch heute zu den wesentlichen
differenzierenden Merkmalen einzelner hochdeutscher Mundarten zдhlen.
Zugleich stellte die II.ahd Lautverschiebung alle hochdeutschen Mundarten
dem Niederdeutschen entgegen. Die II. Lautverschiebung prдgt auch das
Konsonantensystem der deutschen Literatursprache.
Die germanischen stimmlosen Explosivlaute p,t,k wurden im Ahd. teilweise
oder vollstдndig spirantisiert, d.h. in Frikativlaute ( Spiranten ) oder
Affrikaten verschoben:
a) im In -und Auslaut des Wortes nach einem Vokal wurden die germanischen
p,t,k zu ff,33,hh verschoben:
as. opan ahd. offan, as.etan -ahd. e33an,as. ik -ahd.ih
b) im Anlaut, inlautend und auslautend nach einem Konsonanten sowie bei
Konsonantendehnung wurden die germ. p,t,k zu den Affrikaten pf, z, kch (ch)
verschoben:
as. tunga -ahd. zunga, as. pund- ahd. pfunt, as. appul -ahd apful, as. korn
-ahd(bair.) kchorn.
Die Verschiebung von k> k(ch) ist nur im Bairischen und Alemanischen
anzutreffen. Im Frдnkischen bleibt k enthalten.
Die germanischen Explosivlaute b,d,g, die sich aus b,,g entwickelt
hatten, wurden im Ahd zu p,t,k verschoben:
as. drinkan -ahd. trinkan; as. burg ahd. bair. purc, as. geban -ahd.bair.
kepan.
Die Verschiebung von b,g zu p,k war nur dem Bairischen eigen. Nur die
Verschiebung von d zu t hat einen Teil des Frдnkischen erfaЯt.
Die Grenze zwischen dem Hochdeutschen und dem Niederdeutschen, wo die II.
Lautverschiebung haltgemacht hat, nennt man die Benrater Linie ( nach dem
SchloЯ
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Benrat bei Dьsseldorf ). Diese Linie verlдuft ьber drei groЯe Stдdte an
drei groЯen Flьsse: Dьsseldorf am Main, Magdeburg an der Elbe und Frankfurt
an der Oder.
Im VIII Jh. begann in den oberdeutschen Dialekten der Ьbergang des
germanischen stimmlosen interdentalen Frikativlautes Ю ьber die
Zwischenstufe р zu d ;Ю.>р.> d :
got. Юreis, as. thria, ae. Юrie - ahd. thrie, drie, dri "drei ".
got. Юata, as. that, ae. Южt - ahd. tha3, dha3, da3 "das".
Im Frдnkischen vollzieht sich der Ьbergang Ю > d im IX-XII Jh. Im XII-XIV
Jh. erfaЯt er auch die niederdeutschen Dialekte. Deshalb wird der Ьbergang
Ю > d in die II. Lautverschiebung nicht eingeschlossen.
Das Althochdeutsche besaЯ kein [ ]. Die Entwicklung dieses Phonems
beginnt im XI Jh. aus der Konsonantenverbindung sk. Seit dieser Zeit
erscheint die Schreibung sch, die im XII Jh. allgemeine Verbindung bekommt.
:
ahd. skоnan > mhd. schоnan "scheinen ".
ahd. skфni > mhd. schжne "schцn ".
Man nimmt an, daЯ der Laut k zuerst an das varausgehende s assimiliert wurde und spдter mit ihm verschmolz: sk > sch > [ ] .
Seit dem XIII. Jh. wird [s ] zu [ ] im Wortanlaut vor l,m,n,w und nach r. Fьr die Bezeichnung des [ ] wurde die bereits vorhandene Schreibung sch benutzt : ahd. slafan, mhd. slвfen > nhd. schlafen smerza smerze Schmerz sneo sne Schnee swarz swarz schwarz kirsa kirse Kirsche
Etwas spдter entwickelt sich das [ ] auch vor p,t, obwohl es in der
Schreibung unbezeichnet blieb :
ahd. spati, mhd. spжte > spдt [ ] starc starc stark
Um die Mitte des XIII Jh. wird s im Wortanlaut und im Inlaut vor Vokalen
stimmhaft : [ s] > [z], ohne daЯ diese Wandlung besonderen Ausdruck in der
Schreibung findet :
ahd. [ s] sin, mhd. sin > nhd. sein [ z] lesan lesen lesen [z]
Im Althochdeutschen und zu Beginn des Mittelhochdeutschen war w ein
bilabialer Halbvokal, was die Formen ahd. seo " See" Gen. sкwes, mhd. se,
G. sewes bezeugen (der Halbvokal w wurde im Wortauslaut vokalisiert ), (
auch heute Virchow, Pankow ).
Im XIII Jh. entwickelt er sich zum labiodentalen stimmhaften Gerдuschlaut.
II. Vokalismus
1. Von drei Arten des Vokalwandels der deutschen Gegenwartssprache ist der
Ablaut die дlteste.
Der Ablaut ist ein spontaner Vokalwandel. Er ist allen germanischen
Sprachen eigen und hat seinen Ursprung im Indoeuropдischen,( Im Russischen
-нести- нёс, везти -вёз-воз, ноша ). Der Ablaut ist der Wandel des
Stammvokals bei der Bildung der Grundformen der starken Verben :
I. ahd. scriban - screib - scribum - giscriban
II. biogan - baug - bugum - gibogan
III. werdan - ward - wurtum - wortan
Der Ablaut ist auch ein Wortbildungsmittel, z.B.
ahd. hano " петух "- " huon " " Huhn ", auch im Suffix : Nibelungen -
Karolingen.
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Ein anderer Vokalwechsel ist die Brechung. Das ist ein assimilatorischer
Vokalwandel, auch Vokalharmonie genannt. Die Brechung ist die Hebung bzw.
Senkung der Stammsilbenvokale unter dem EinfluЯ der Vokale der
nachfolgenden Silben, also eine regressive Assimilation. Sie war allen
altgermanischen Sprachen eigen.
Die Hebung des e zu i geschah durch Einwirkung der Vokale der hohen
Zungenlage i oder j der folgenden Silbe und vor n + Konsonant :
lat.: ventus - ae.,as. wind, ahd. wint " Wind "
ahd. erda - irdisk " irdisch ".
Die Senkung des Phonems i zu e geschah vor dem Vokal der tiefen Zungenlage
a :
lat. piper - ahd. pfeffer
lat. sinapis - as. senep " Senf ":
Unter дhnlichen Positionsbedingungen vollzog sich der Wechsel von a und u :
ahd. helfan - half - hulfum - giholfan beogan - biugu
In der deutschen Gegenwartssprache lebt die Vokalharmonie im Wechsel der
Vokale e/i fort : ich gebe - du gibst < gibis - gibt < gibit
Erde - irdisch, Berg - gebirgig, " Gebirge "
Die Brechung enstand vermutlich im I. Jh. u. Z. und war in der ahd.
Periode schon eine historische Erscheinung, d.h. sie trat nicht in allen
Fдllen ein :
geholfan, geworfan aber gibuntan, funtan ( gefunden )
Ein so zusagen lebendiger Vokalwechsel war im Ahd. der Umlaut. Das ist
wie auch die Brechung ein assimilatorischer Vokalwandel, noch eine Art
der Vokalharmonie.
Der Umlaut hatte fьr die deutsche Sprache eine besondere Bedeutung. Im
Ahd entwickelte sich der Umlaut nur von dem kurzen a, das unter dem EinfluЯ
des i oder j der folgenden Silbe zu e wurde :
ahd. gast - gesti, kraft - krefti, alt - eltiro, faru - feris - ferit.
Der Umlaut erscheint im VIII Jh. in den nordfrдnkischen Dialekten, dann
verbreitete er sich sьdwдrts. Aber es gab im Ahd. viele Hinderungen fьr die e : a wurde nicht umgelautet vor ht, hs,rw.
ahd. maht - mahtig, garwan - garwit ( gдrbt ) wahsan - wahsit.
Die Umlauthinderungen wurden zu Beginn der mhd. Periode beseitigt, so daЯ
seit dem XII Jh. auch hier der Umlaut eintrat. Er wurde als д bezeichnet (
der sogenannte Sekundдrumlaut ) : mдhtig, wдhset, gдrwat u.a.
Gegen Ende der ahd. Periode entwickelte sich auch der Umlaut des langen u
: hus - hiusir, mus - muisi.
In der mhd. Zeit wurden auch die ьbrigen Vokale umgelautet : das lange a
zu ж, das kurze o zu ц, das lange o zu oe, das kurze u zu ь :
ahd. spati - mhd. spжte - nhd. spдt mahti mцchte mцchte skoni schoene schцn wurfil wьrfel Wьrfel
So wurden die umgelauteten Vokale aus den Varianten der Phoneme zu
selbstдndigen Phonemen ( d.h. sie ьbernahmen eine sinnunterscheidende
Funktion ) wurden phonologisiert. Der Umlaut ist der Ьbergang der Vokale
der vorderen Reihe e, ц, ь unter der Einwirkung von i / j der folgenden
Silbe. Deshalb nennt man ihn noch i- Umlaut.
2. In der mhd. Zeit vollzieht sich die Abschwдchung der unbetonten Vokale.
Die langen
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und kurzen Vokalphoneme a, o, u, e, i der unbetonten Silben sind zu e [ ]
abgeschwдcht oder gдnzlich geschwunden.
a) Abschwдchung der Vokale :
ahd. taga - mhd. tage, gesti - geste, namum - namen
b) Schwund der Vokale am Wortende ( Apokope ) oder in der Wortmitte (
Synkope ) :
ahd. groЯiro - mhd. groe3er, herison - hersen.
3. Diphtongierung, Monophtogierung, Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou.
Einige Neuerungen im System vokalischer Phoneme waren in den einzelnen
Territorialdialekten bereits in der mhd. Zeit entstanden, aber sie bekamen
erst in der fnhd Sprachperiode allgemeinere Ausbreitung und prдgten somit
das fnhd. phonologische System. In der Folgezeit bestimmten sie den
Charakter des Nhd.
Im XII. Jh. beginnt im дuЯersten Sьdosten, in Kдrnten, der Wandel der langen Vokale der hohen Zungenlage i, u, iu [ y: ] zu Diphtongen : п > ei [ae ] - mhd. mнn > fnhd. mein, нs > eis, drн > drei ы > au - ыf > auf, hыs > haus tыbe > Taube, brыchen > brauchen iu [y: ]> eu hiute > heute, liute > leute diutsch > deutsch.
Im Laufe des XII - XVI Jh. dehnt sich die Diphtongierung ьber den
gesamten hochdeutschen Sprachraum aus und wird zum Kennzeichen der
hochdeutschen Dialekte. Den alten Vokalstand bewahren die Schweiz ( vgl.
die Benennung der Schweizer Landessprache Schwyzer tьtsch -
Schweizerdeutsch ), ElsaЯ , der niederdeutsche Sprachraum und einige
angrenzenden Gegenden des Mitteldeutschen. Da die Diphtongierung auch zum
Kennzeichen der werdenden gemeindeutschen Literatursprache wird, nennt man
sie " die neuhochdeutsche Diphtongierung " .
Gleichzeitig mit der Entwicklung neuer Diphtonge vollzieht sich im
Bairisch- Цsterreichischen auch die Erweiterung alter Diphtonge ei > [ ae
], ou> au, die mit den neuen Diphtongen zusammenfallen : mhd. ein > fhnd. ein [ aen], teil > [ tail ]
vgl. mнn - mein , drн - drei.
Gleichzeitig mit der Entwicklung der Diphtongierung entwickelt sich im XI-
XII Jh. in den mitteldeutschen Mundarten ( ein entgegengerichteter
Lautwandel ) die Monophtongierung der Diphtonge ie, uo, ьe :
ie > ie [ i: ] - mhd. hier > fnhd. hier [ i: ] fliegen fliegen
uo > u guot gut buoch buch
ьe > ь gьete gьte " Gьte " sьe3e sьЯ
Die Diphtongierung ergreift nur einen Dialekt des Oberdeutschen - das
Sьdfrдnkische. Alle anderen oberdeutschen Dialekte bewahren die alten
Diphtonge mit der Tendenz zur Entlabialisierung : z.B. schen fьr schцn, glik fьr Glьck.
Die Diphtongierung, die Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou und die
Monophtongierung hatten eine groЯe Bedeutung fьr die werdende
gemeindeutsche Sprache. Sie prдgen das phonologische System der deutschen
Literatursprache. Sie prдgen das phonologische System der deutschen
Literatursprache der Gegenwart.
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